29. Januar 2021

Facetten der Kommunikation – reflektiert

Fachbeitrag

Social Media // externe Kommunikation

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Bekanntlich sind Theorie und Praxis zwei Paar Schuhe. Dies trifft auch auf die Kommunikation zu. Dieser Beitrag orientiert sich nicht primär an theoretischen Ausführungen, sondern stützt sich auf Aussagen, Einsichten und Meinungen aus der Praxis. Anlass hierzu bot die Lektüre des Buchs «Klartext. Schönreden war gestern», erschienen im Oktober 2020. Im Rahmen dieser Publikation teilen Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und der Kommunikationsberatung ihre Erfahrungen in Sachen Kommunikation und geben Antworten auf die Frage, was eine gelungene Kommunikation ausmacht. Einige Gedanken möchte ich hier – soweit möglich thematisch geordnet – Revue passieren lassen. Sprich, mein Mittun ist auf den folgenden Zeilen gering. Doch möchte ich dem entgegenhalten – frei nach Goethes Schreibe «nur wo du zu Fuss warst, bist du auch wirklich gewesen»: «Nur was ich zitiert habe, das habe ich auch wirklich gelesen.» In diesem Sinne zitiere ich nachfolgend u. a. Walter Thurnherr, Thomas Hirschhorn, Yves Böni, Martin Schröder und Christoph Brand zu Themen wie Fake-News, Social Media, Krisenkommunikation sowie interne und externe Kommunikation.

«Wer auf den Tisch haut, wirkt zwar deutlicher, ist aber vielleicht nur emotionaler. Und richtig wird ein Satz sowieso nicht, nur weil man ihn laut ausspricht.»

Walter Thurnherr, Dipl. sc. nat. ETH, Bundeskanzler (S. 22)

Kompetenz, Absicht, Nachvollziehbarkeit

Für den Schweizer Installationskünstler Thomas Hirschhorn steht und fällt alles mit der Kompetenz – auch in Bezug auf die Kommunikation (S. 61–62): «Jede Kommunikation, die einen Standpunkt klärt, die eine Haltung offenbart, ist sinnvoll. Denn wenn ich etwas zu sagen habe und wenn ich darüber reden will, dann doch nur, weil ich für etwas kompetent bin und weil mir das wiederum die Kompetenz gibt, dies zu kommunizieren. Wofür ich demnach kompetent bin, muss zählen, nicht die Kommunikation darüber. […] Statt sich also Fragen nach der ‹richtigen› oder der ‹idealen Kommunikation› zu stellen, fragen wir uns: Wofür bin ich kompetent? […] Dann könnte ‹Kommunikation› heissen, eine ‹Kompetenz zu teilen›. […] Ich glaube, dass, wer etwas klären will für sich – und dieses ‹Klären› mit anderen teilt –, dem/der zugehört wird, der/die gelesen wird. Derjenige, der kommuniziert, um etwas zu verkaufen, klärt nichts.»
Victor Schmid, Kommunikations- und Wirtschaftsberater sowie Herausgeber des hier zitierten Buchs, unterstreicht die «pädagogische Natur» der Kommunikation, sieht aber weitere berechtigte Absichten im «Erwerb von Glaubwürdigkeit und Vertrauen» und darin «Reputation schaffen oder erhalten» zu wollen (S. 208). Damit dies gelingt, bedarf es nach einer konsequenten Haltung. Hierzu Astrid Epiney, Rektorin der Universität Fribourg (S. 198): «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in der Kommunikation eine Linie haben muss, die man nicht beliebig modifizieren kann. Diese Linie spiegelt eine Haltung, die sich nicht einfach ohne nachvollziehbare Gründe ändern darf. […] Dann wird Kommunikation für Empfänger einfacher und akzeptabel.» Denn Kommunikation mit innerer Logik resultiert in Nachvollziehbarkeit. Unzureichendes oder gar nicht begründetes Abweichen erzeugt Irritation und kann Vertrauensverluste nach sich ziehen – Stichwort BAG-Kommunikation zum Thema Schutzmasken im Frühling/Sommer 2020. Diese Herausforderungen sind während Krisenzeiten besonders gross, da Krisen in besonderem Ausmass von Unsicherheiten geprägt sind. Geprüftes, unumstössliches Wissen ist seltener gegeben, weshalb man im Krisenmodus zwingend auch kommunizieren soll, was man nicht weiss.

Krisenkommunikation

Mit der Krisenkommunikation wurden seit Frühjahr 2020 und mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie unzählige Akteure konfrontiert. Bundeskanzler Walter Thurnherr (S. 22): «In der Krise ist das kompliziert [sachlich, ausgewogen und vollständig zu informieren]. Hier ist die Kommunikation erfolgreich, wenn sie schnell erfolgt, wenn sie oft beziehungsweise regelmässig stattfindet, wenn sie transparent und glaubwürdig ist, wenn sie also Vertrauen schafft, insbesondere, indem man vermitteln kann, was man weiss, aber vor allem auch, was man nicht weiss.» Weitere Ausführungen zu diesen Punkten und zur Krisenkommunikation können im Beitrag «Krisen nicht ausschweigen» nachgelesen werden. Insbesondre dieser «Mut zur Lücke» muss bestehen, wie Thurnherr weiter ausführt (S. 24): «Man hat natürlich eine Tendenz, lieber abschliessende Wahrheiten verkünden zu wollen […]. Aber man unterschätzt die Bevölkerung. Sie kann gut mit Ungewissheiten umgehen, sofern man diese herausschält, erläutert und gegeneinander abwägt.» Denn wer in seiner Kommunikation auch proaktiv (noch) unbekannte Sachverhalte benennt, der beugt der Gefahr vor, dass diese «schwarzen Flecken» auf der Kommunikations-Roadmap nicht als Tummelplatz für Spekulationen herangezogen werden – beispielsweise durch den Verdacht auf bewusste Informationszurückhaltung. Spekulation und Misstrauen gefährden die Deutungshoheit über die Situation und diese sollte, wenn immer möglich, nicht aus den Händen gegeben werden (mehr hierzu im Beitrag «Ziel: Deutungshoheit erlangen»). Die sozialen Medien akzentuieren dieses Problem, weil sich eine blosse Vermutung oder gar eine Falschmeldung auf den Social-Media-Kanälen innert kürzester Zeit verbreitet. Das klassische Korrigendum kann dem nicht mehr beikommen. Yves Böni, strategischer Kommunikationsberater, hierzu (S. 89): «Die grösste Herausforderung besteht darin, dass es durch die Flut an Nachrichten und den grösseren ‹Lärm› deutlich schwieriger geworden ist, die Deutungshoheit über die eigene Berichterstattung zu erlangen.» In Bezug auf die sozialen Medien sieht er eine mögliche, wenn auch sehr zeitaufwändige Strategie darin, dass man mit dem Aufbau eines eigenen Kanals eine Quellenreferenz zu schaffen versucht. Das Ziel: Was nicht auf diesem Kanal kommuniziert wurde, ist nicht offiziell und bestätigt. Geniesst dieser Kanal eine hohe Glaubwürdigkeit, dann kann das (Wieder-) Erlangen der Deutungshoheit eher gelingen.

Social Media

Der strategische Kommunikationsberater Yves Böni äussert sich ausführlich zur Gefahr einer sogenannten Meinungsblase durch die Algorithmen der Social-Media-Plattformen (S.84): «[Diese] füttern uns mit Inhalten, die mit unseren Interessen, unseren Freunden oder unseren Weltanschauungen abgestimmt sind. Man sieht nur noch in eine Richtung. Gegenläufige Argumente werden immer stärker ausgeblendet, damit man Bestätigung findet und mehr Zeit auf der Plattform verbringt. Diese Blasen führen dazu, dass sich Meinungen verstärken und sich das Verständnis Einzelner über die bestehenden Probleme in der Gesellschaft komplett voneinander unterscheidet.» Dank sozialen Medien können alle zu Content-Produzenten werden. Die Gatekeeper und Filter der traditionellen Medien, führt Böni weiter aus (vgl. S. 85), fallen weg und ein jeder kann sich sein ganz eigenes, ihm mundendes «Nachrichtenmenü zusammenstellen». Zudem konsumiert man selber nicht nur ununterbrochen Inhalte aus den eigens bestimmten Nachrichtenquellen, sondern trägt oftmals selber auch zum Nachrichtenfluss bei. Geschieht dies weiterhin ausschliesslich in der eigenen Blase, wird Widerspruch aufgrund alternativer Sichtweisen rar bis gänzlich ausgeschaltet. Böni (S. 87–88): «Die sozialen Medien verändern zwei wesentliche Dinge: Der Filter der traditionellen Medien fällt weg, und der Konsument wird zusätzlich zum Produzenten. […] Ein Vergleich dazu: Die traditionellen Medien waren wie Restaurants. Man konnte wählen, in welches man ging, und welche mundgerecht zubereiteten Speisen man von der festgelegten Menükarte ass. Social Media dagegen ist wie ein Lebensmittelmarkt: Es gibt unterschiedliche Marktstände, an denen ich die rohen Zutaten beziehen kann. Aber ich muss sie selber zubereiten, und je nach der eigenen Kochfähigkeit gelingt das unterschiedlich gut. Heutzutage ist es deshalb enorm wichtig, dass jeder Social-Media-Nutzer seine Medienkompetenz aufbaut und sich ein buntes Universum an Quellen erschliesst, damit man nicht zu stark in seiner eigenen Welt gefangen bleibt. […] Der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Schäubele sagte im Morning-Briefing-Podcast von Gabor Steingart, dass wir uns in der öffentlichen Debatte in Teilöffentlichkeiten auflösen. Eine gemeinsame Öffentlichkeit ist aber Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie. Entscheidend für den Zusammenhalt der Gesellschaft wird also sein, dass die Bevölkerung ihre Medienkompetenz verbessert, gegenläufige Meinungen zulässt und unterschiedliche Nachrichtenquellen nutzt. So kann jeder für sich selbst eine Gatekeeper-Rolle einnehmen und sich einen breiten Informationshorizont verschaffen.»
In diese Blasen-Gefahr-Thematik hinein spielen Äusserungen zum Thema Fake-News, die im Social-Media-Zeitalter ein allzu leichtes Spiel haben.

Fake-News und Mehrheitsillusionen

Dass diesem Thema im Buch viele Äusserungen gewidmet sind, wird schon während den einleitenden Gedanken von Dr. Victor Schmid klar. Dort ist ein passendes Zitat von Bernhard Pörksen und Friedemann Schulz von Thun, aus «Die Kunst des Miteinander-Redens: Über den Dialog in Gesellschaft und Politik» (2020) zu finden (S. 16–17): «Mit nur ein paar Klicks kann man sich in sein eigenes Selbstbestätigungsmilieu hineingoogeln, ohne grösseren Aufwand und ohne die Reibung mit der Agenda der Allgemeinheit.» Ein jeder finde seiner Sache und Überzeugung zuträgliche Expertenmeinungen, Medien und Plattformen sowie Gleichgesinnte und ideologisch verwandte Stämme – «vom politischen Extremisten bis hin zum Impfgegner. Weitgehend intransparente Prozesse der Informationsfilterung, dies zeigen aktuelle Studien zu den Wirkungen von Empfehlungsalgorithmen der Plattformen, verschärfen die Segmentierung und Polarisierung. Sie locken den Einzelnen in einen Tunnel der Selbstradikalisierung, lassen eine extreme, vielleicht vollkommen randständige Position als eine von vielen geteilten Auffassung erscheinen. In solchen Informations- und Kommunikationsumgebungen entstehen Mehrheitsillusionen.»

«Heute ist alles überall: Es gibt eine völlige Verschränkung von kommerziellen und nichtkommerziellen Inhalten. Man könnte sagen: Alles ist kommerzialisiert. Die Digitalisierung ermöglicht es, dass Algorithmen bestimmen, wer wann wie erreicht werden soll. Das führt zu einer brutalen Durchdringung und Sättigung. Genau in diesem Umfeld braucht man kritische Distanz.»

Andrés Luther, lic. phil. (S. 237/238)

Im Internet kann man sich also Bestätigungen zusammenrecherchieren – Quellen wird man immer und zu allem finden. Essentiell ist aber nicht nur die eigene Überzeugung, sondern auch das Umfeld, wie der Soziologieprofessor Martin Schröder betont (S. 74/76): «Ob jemand an den Klimawandel glaubt oder nicht, hat weniger mit den Fakten zu tun als vielmehr mit seinem Freundeskreis. Was denken die Menschen, die für ihn wichtig sind? Lob und Tadel hängen stark von den Freunden ab – sehen sie etwas gleich wie Ihre Freunde, gibt es Lob. Auch unsere politischen Einstellungen hängen davon ab, ob wir damit in unserem sozialen Umfeld ankommen. […] Meine Lebenszufriedenheit entscheidet sich zu 80 Prozent über Themen, die in direktem Zusammenhang mit meiner individuellen Situation stehen. Nur 20 Prozent meiner Zufriedenheit entscheiden sich gesellschaftlich – also aufgrund von Themen, die alle Mitglieder der Gesellschaft gleichermassen betreffen. Grundsätzlich gilt: Medien besprechen Themen, die für die Allgemeinheit relevant sind. Aber solche Themen entscheiden eben nur 20 Prozent unserer Lebenszufriedenheit…» Daraus ergibt sich, dass mediale Diskurse – die professionell und objektiv aufbereitet werden – lediglich einen geringen Einfluss «auf die Tribal-Information im kleinen, engen Umfeld» haben (S. 77). Schröder weiter (S. 81/83): «Fake-News sind deshalb so wirkungsvoll, weil sie in gewissen Gruppen die schon vorhandenen Meinungen bestätigen. Menschen sind nur begrenzt zugänglich für rationale Argumente. Es ist ihnen letztlich oft egal, ob etwas stimmt oder nicht. […] Früher gab es drei Sender und drei relevante Tageszeitungen. Alle sahen die gleichen Fakten und hatten insofern einen gleichen Wissensstand als Grundlage. Heute ist das nicht mehr so, jeder kann sich raussuchen, was er will. Das ist eine Gefahr, weil früher politische Diskussionen von derselben Faktenlage ausgegangen sind und deshalb Konsens einfacher war. Heute kommen viele Diskussionen gar nicht mehr zustande, weil sich jeder die eigenen Medien rauspickt und eine total andere Wahrnehmung hat.»
Wie soll man dem begegnen? Zum einen wird die Medienkompetenz für den Umgang mit all den gefundenen Informationen und Meinungen essenziell wichtig, wie dies zuvor auch von Yves Böni ausgeführt wurde. Zum anderen sieht Walter Thurnherr im Kampf gegen Fake-News auch eine Wichtigkeit in der Meinungsvielfalt und in der Bildung (S.28): «Das beste Mittel gegen Fake-News ist nach wie vor nicht die Kontrolle [durch die Plattformen selbst oder durch den Staat, wobei erster in «nur» eingeschränkten Plattformen und zweiteres in heikler Zensur münden würde], sondern die Vielfalt. Möglichst viele Informationen und Argumente zu verschiedenen Meinungen und Sachverhalten. Und genauso wichtig: Bildung, und zwar Bildung auf allen Stufen.»

«Für klare Ansagen, die gut verstanden werden, braucht es eine Reihe von Fähigkeiten: Sachkenntnis, sprachliche Präzision, gesellschaftlichen Durchblick. Dann merkt man, ob Empathie da ist, denn sie hilft, die Sache von der anderen Seite aus zu sehen. Und schliesslich kommunizieren Menschen dann gut, wenn sie Selbstsicherheit und Mässigung zu verbinden wissen. Adressaten merken rasch, ob der Kommunikator sich oder das Thema wichtiger nimmt.»

Rolf Soiron, Dr., Historiker und Wirtschaftsführer (S. 112)

Interne und externe Kommunikation

Die Frage, was gute interne und externe Kommunikation ausmache, wurde auf den «Klartext»-Buchseiten vielen Persönlichkeiten auf die eine oder andere Art und Weise gestellt. Die Ausführungen von Christoph Brand, CEO der Axpo, erachte ich indes als trefflichste (S. 152–155): «A priori ehrliche Kommunikation. Die Menschen haben eine gesunde Abneigung gegenüber irgendwelchen Formen von Newspeak im Orwell’schen Sinne. Newspeak ist für mich, wenn durch sprachpolitische Massnahmen letztendlich die Freiheit des Denkens aufgehoben werden soll. Die weniger schlimme Form präsentiert sich beispielsweise in Management-Plattitüden, die nichts sagen und alles vernebeln, also auf eine subtilere Form auch das Denken verhindern. In dieser Form und diesem Ausmass in unseren demokratischen Gesellschaften neu und ganz schlimm ist die beliebig schamlose Lügerei, die das Denken in eine bewusst falsche Richtung lenken will. Das Primat der Ehrlichkeit und damit eine Verpflichtung gegenüber der Wahrheit ist für mich auf einer fundamentalen Werteebene und daher in der Kommunikation zentral. Eigentlich wäre es doch logisch: Was nicht wahr ist, kann nicht politisch korrekt sein, und was wahr ist, kann nicht politisch inkorrekt sein. Müsste man mindestens meinen. Das zweite Kriterium ist für mich die Geschwindigkeit. Wir leben in einer schnelllebigen, dynamischen Welt – ob wir das gut finden oder nicht –, und die Kommunikation muss damit umgehen können. Das dritte Kriterium ist die Zielgruppenspezifität der Kommunikation. Wenn man die Leute erreichen will, braucht man in der Kommunikation die nötige Flexibilität, die Menschen ebendort zu erreichen, wo sie sich informieren. Und da sind die Kommunikationskanäle derart explodiert, dass flexibel auf diese Komplexität reagiert werden muss. Insgesamt hat sich das Anforderungsprofil an die Kommunikationsverantwortlichen in den letzten Jahren massiv erhöht. […] Die Gewichtung der Kanäle hat sich insgesamt stark differenziert und verschoben. […] Wichtig ist die Differenzierung der Kanäle nach Zielgruppen. Diese ist heute viel zentraler geworden. Man kann nicht mehr mit einem Kanal alle erreichen. Kanaloptimierung ist das Stichwort. […] Kommunikation muss Wirkung zeigen. Sie muss die Unternehmensziele unterstützen. […] Zudem ist die Kommunikation auch ein wichtiges Rezeptorium, das Schwingungen spüren muss, die für das Unternehmen wichtig sind. Dazu braucht es ein Sensorium, offene Ohren und die richtige Analyse, um wichtig Entwicklungen möglichst frühzeitig ins Unternehmen zu tragen und entsprechende Massnahmen auszulösen. […] Und immer noch: The medium is the message. Also muss die Kommunikation innovative, kreative Kanäle entwickeln, die geeignet sind, die Anspruchsgruppen zu erreichen. Somit halte ich die Kommunikationsabteilung in einem Unternehmen für sehr wichtig. Wenn sie ihre Aufgaben nicht gut macht, ist das Schadenpotenzial für das Unternehmen sehr hoch.»
Neben diesen grundsätzlichen Ausführungen zur externen Kommunikation spricht Walter Thurnherr noch einen wichtigen Aspekt an: immer an das Zielpublikum und deren Wissenstand zum Sachverhalt denken (S. 24–25): «Man stellt oft denselben Fehler fest: Es wird erst am Schluss eines längeren Prozesses der internen Analyse, der Abwägung und Entscheidungsfindung kommuniziert, und dabei wird ohne Weiteres vorausgesetzt, dass der Zuhörer diesen schwierigen Prozess des Ringens und des Überlegens, den man für sich selbst in Anspruch genommen hatte, in knappen fünf Minuten nachvollziehen kann, obwohl ihm bis dahin nicht einmal bewusst war, dass überhaupt ein Problem besteht. Wenn möglich, sollte man jenen Menschen, die man erreichen will, die Gelegenheit geben, die eigenen Überlegungen nachzuvollziehen. Zum Beispiel in mehreren, bewusst voneinander getrennten Schritten der Kommunikation. […] Meist wird der ganze Prozess radikal abgekürzt. Man kommuniziert alles auf einmal und ist dann ganz verblüfft, wenn viele sich überfordert fühlen und aufs Bremspedal drücken.»
In Bezug auf die interne Kommunikation plädiert Christoph Brand auf die persönliche Interaktion (S. 154): «Zentral ist für mich, eine persönliche Interaktion zwischen der Führung eines Unternehmens und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzustellen. Dies kann man nur mit einer gewissen Regelmässigkeit. Zudem ist es illusorisch, zu meinen, diese Interaktion nur mit E-Mails oder Blogs oder anderen schriftlichen Informationen herstellen zu können. Es braucht den Dialog. Lieber nicht perfekt, dafür häufiger, authentischer und persönlicher. Die Leute erwarten kein perfekt inszeniertes Theater, sondern direkte Kommunikation.»

«Wenn die Botschaft nicht stimmt, dann gerät auch die Kommunikation in Schieflage. Man kann auch mit der besten Kommunikation aus einem missratenen Entscheid keinen genialen Beschluss machen.»

Walter Thurnherr, Dipl. sc. nat. ETH, Bundeskanzler (S. 25)

Es braucht den respektvollen Diskurs

Christoph Brand, CEO der Axpo, plädiert für den Diskurs – insbesondere auch während Krisenzeiten (S. 146–149): «Wir haben eine grassierende Empörungskultur, die Erkenntniszuwachs verhindert, was für eine Gesellschaft auf die Dauer verheerend ist. Und Klartext heisst für mich ja nicht, unfreundlich, verachtend, rassistisch, sexistisch usw. zu kommunizieren, sondern einfach Dinge beim Namen zu nennen, nicht zu verdrehen und nicht zu verschweigen. Denn Fakten sind wichtig. Ich vermisse immer mehr den kritischen Rationalismus nach Popper’scher Prägung. […] Man eckt an, wenn man sich als Unternehmensführer zu eventuell noch politisch heiklen Themen äussert. Diese Klartextkommunikation wird dann oft nicht als konstruktives Sparring interpretiert, sondern als Einmischung und damit als Grund für Empörung. Mit solchen Haltungen wird ein wichtiger Diskurs verunmöglicht. […] Ein Beispiel dafür war die Behandlung von Leuten, die versucht haben, die getroffenen Massnahmen der Regierungen in der Corona-Krise aus wirtschaftlicher Optik kritisch zu hinterfragen. Die wurden dann sehr schnell mit Verschwörungstheoretikern und «Covidioten» in einen Topf geworfen. Wer will das also auf sich nehmen, wenn er dann so konnotiert und niedergeschrieben wird? Diese Haltung ist aber sehr gefährlich, weil es genau diesen Diskurs – erst recht in Krisen – braucht. Eine Diskussion über Grundrechte oder auch nur über die langfristigen wirtschaftlichen, also uns alle betreffenden Konsequenzen staatlichen Handelns muss immer geführt werden können. Und sie wird zu wenig geführt.»
Wirtschaftsführer Rolf Soiron bricht eine Lanze für den Respekt (S. 113): «Wer ohne Arroganz, sondern einfach im Wissen, dass es andere Standpunkte gibt, rüberbringt, dass man jetzt etwas sagt, was andere anders sehen können, und es darum umso klarer sagt, der kommuniziert konstruktiv. Diesen Ansatz offerieren Kommunikationsberater meines Erachtens zu wenig. […] Wenn Respekt und Glaubwürdigkeit da sind, hat Klartext Platz und hilft weit mehr als alle Worthülsen und rosaroten Formulierungen.»

Dieser Beitrag zitiert ausführlich aus der Publikation «Klartext. Schönreden war gestern», herausgegeben von Dr. Victor Schmid, erschienen beim Stämpfli Verlag im Oktober 2020, 280 Seiten. Die Publikation dieses Beitrags wurde vom Herausgeber genehmigt.

Veröffentlicht von:

Basil Böhni

Im Sommer 2018 gründete Basil Böhni (*1985) die Böhni Communications GmbH. Er studierte im Hauptfach Publizistik an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich. Auf seinem bisherigen Berufsweg durfte sich Basil Böhni für verschiedene Arbeitgeber und Kunden in den Bereichen interne Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, Digital Marketing, Kultur, Event Management und Journalismus engagieren.